Landleben

Gleich zu Beginn möchte ich anmerken, dass der Verfasser dieser Zeilen ein sogenannter„Reingeschmeckter“, Zugezogener ist. Seit 1987 lebe ich in Winterstettendorf und fühle mich recht wohl hier.

Das Dorf mit ca. 280 Einwohner liegt im beginnenden Risstal, eigentlich entspringt das Flüsschen Riss in Winterstettendorf. Der Mühleweiher, in dem wohl einige Quellen sprudeln, ist selbst bei minus 20°C nicht gefroren und sieht dann aus, als wenn er dampfen würde.

Am Mühleweiher vermutet man natürlich eine Mühle, die es dort auch gibt. Die Genossenschaftsmühle ist auch bis heute in Betrieb, auch wenn die Mahlwerke nicht mehr mit Wasserkraft angetrieben werden. Die Maschinen und die ganze Ausstattung könnten auch im Museum stehen, es werden hervorragende Mehle und Mischungen (Spätzlesmehl) aus heimischem Korn hergestellt. Auch Futtermittel und ein kleines Sortiment an Nahrungsmitteln werden dort verkauft.

Oberhalb des Mühleweihers steht die sehenswerte katholische Kirche St. Pankratius. Das kirchliche Leben im Dorf ist noch recht aktiv, mich erinnert es stark an meine Kindheit, als ich Ferien auf dem Land machte.

Obwohl es noch ein renovierungsbedürftiges Rathaus gibt, ist die Gemeinde nicht mehr selbstständig, sie ist ein Teilort der Gemeinde Ingoldingen.

Im Dorf, so wird Winterstettendorf in der Umgebung genannt, auch weil es in 3 km Entfernung noch das größere Winterstettenstadt gibt, produzieren noch mindestens 8 Landwirte Nahrungsmittel. Gaststätten gab es im Dorf mal zwei, den „Stern“ und die „Sonne“. Im Stern ist noch ab und zu eine Veranstaltung und - dies weiß ich nicht sicher - am Sonntag nach der Kirche noch Frühschoppen.

Gegenüber der Wirtschaft Stern ist ein Falkner zuhause; die Ausbildung, Zucht und das Abrichten von Falken ist eine Form der Jagd, es gibt nur noch wenige Falkner in Deutschland.

Eine Schule gibt es hier nicht, aber immerhin einen Kindergarten, der im ehemaligen Schulgebäude untergebracht ist. Da es im Dorf auch ein kleines Neubaugebiet gibt und dort junge Familien wohnen, wird der Nachwuchs für den Kindergarten hoffentlich nicht versiegen. Einkaufsmöglichkeiten gibt’s außer einem kleinen Lebensmittelsortiment in der Raiffeisenbank-Filiale vor Ort nicht. Es kommen aber täglich zu bestimmten Zeiten Bäcker, Metzger und ein fahrender Lebensmittelhändler. Dies ist besonders für ältere Dorfbewohner ein sehr wichtiger Service, da es ohne Auto sonst kaum möglich ist etwas einzukaufen, denn die Nahverkehrsanbindung ist saumäßig. Dies ein großer Nachteil für das Dorf am Rande des Kreisgebiets Biberach.

Morgens zwischen 6 und 8 Uhr fahren Busse in die Kreisstadt Biberach oder Schussenried, ab 12 Uhr bis abends 18 Uhr ist dies auch möglich. Nach 18 Uhr kommt man weder raus noch kann man das Dorf mit dem Bus erreichen. Am Wochenende läuft dann hinsichtlich Busverkehr rein gar nichts mehr. Für Jugendliche ist daher, obwohl viele ihr Dorf lieben, das Leben auf dem Land schwierig und sie fühlen sich vom kulturellen Leben in der Stadt ausgeschlossen. In die in südlicher Richtung 3 km entfernt liegende Ortschaft Michelwinnaden fährt überhaupt kein Bus, da diese Ortschaft einem anderen Landkreis angehört. Im Zeitalter der Globalisierung ist dies schon erstaunlich, auch wenn diese Straße von Schnee geräumt werden muss, fährt der Schneepflug nur bis zur Kreisgrenze!

Das kulturelle Leben bestimmen neben der Kirche die örtlichen Vereine. Es gibt, gemessen an der Einwohnerzahl, doch recht viele Interessen. Einen Musikverein, Theatergruppe, Volkstanzgruppe, Landjugend, Blutreiter, Sportverein, Risstalsenner und die freiwillige Feuerwehr. Der Musikverein dürfte der älteste Verein im Ort sein, er besteht seit 1920. Die Vereine gemeinsam veranstalten das Highlight im Dorf, das Maifest. Dies findet um den 1. Mai herum statt, meist 3 Tage lang auf der gemeindeeigenen Wiese und im Zelt. Neben allerlei Unterhaltung für die Kinder wie Hüpfburg, Geschicklichkeitspiele, Torwandschießen und Schminken spielt dann im Zeit eine Blaskapelle oder Unterhaltungsmusik mit volkstümlichen Inhalt. Essen und Trinken natürlich vom Feinsten. An den Abenden und in der Nacht geht’s dann im Zelt „voll ab“. Semiprofessionelle Rock-, Tanz- oder Skabands versuchen mit  leistungsstarken Verstärker- und Lightshowanlagen das meist jugendliche Publikum zum Tanzen zu animieren. Was auch immer gelingt, auch Dank der hinter der Bühne installierten Bar, in der man sich den nötigen Mut zum Tanzen antrinkt. Bei Jugendlichen unter 18 Jahren kommt natürlich auch Frust auf, da sie in der Bar nichts bekommen (sollten) und weil die Bands erst so gegen 21:30 beginnen und sie um 24:00 das Zelt bereits verlassen müssen. Dafür haben die verbleibenden Besucher Sound bis 3:00 und länger, was die Anwohner meist ohne Murren akzeptieren, es ist ja nur einmal im Jahr! Stimmt nicht ganz - Ende der Sommerferien veranstaltet die Landjugend das „Mühleweiherfest“. Dort findet, wenn es die Witterung erlaubt, am Samstagabend Tanz im Freien am Mühleweiher statt, natürlich mit Rockband und bis spät in die Nacht. Am Sonntag gibt’s dann noch eine Art Bootsregatta auf dem Weiher, Blasmusik, Würstchen Pommes und Bier!

Weitere Veranstaltungen finden in der Gemeindehalle, die auch von allen Vereinen gemeinsam genutzt wird, statt. Der Musikverein unterhält noch einen Proberaum im Keller der Halle und an die Halle angebaut ist das Gerätehaus der Feuerwehr. Sehr beliebt sind die Theaterveranstaltungen der Theatergruppe Winterstettendorf oder Vorführungen der Volkstanzgruppe. Das Vorspielen der Musikschüler des Musikvereins wird vor allem von Eltern und Großeltern geschätzt. Auch Turnen kann man/frau hier. Altennachmittage und Hochzeiten runden die Veranstaltungen in der Gemeindehalle ab.

Das Heiraten im Dorf ist sehr beliebt, nicht nur Einheimische, sondern auch Brautpaare aus der Umgebung heiraten hier romantisch mit Kutsche und in einer schönen Kirche sowie wegen der dörflichen Umgebung. Traditionell findet bei mancher Hochzeit früh morgens ein Böllerschießen statt, so dass man auf keinen Wecker angewiesen ist. In neuester Zeit hat sich auch ein anderer Brauch eingeschlichen: Nach Beendigung des Hochzeitsfestes, am frühen Morgen so gegen 3:00, spazieren die Besucher noch, sich lautstark unterhaltend oder auch mit Musikbegleitung, durch das Dorf, so das auch wirklich jeder etwas von der Hochzeit hat.

Wirklich sehenswert ist auch der “Almabtrieb” den “die Risstal-Senner” veranstalten. Geschmückte Kühe werden von Hirten im „Trachtenhäs“ von Winterstettendorf nach Wattenweiler getrieben und am Ziel ist natürlich für Unterhaltung und Bewirtung gesorgt. Auch an Fasnet geht es wild zu im Dorf, der „glombige Donschtig“/Donnerstag gehört den „Hondsknocha“, den Masken vom Dorf. Natürlich gibt’s auch dazu eine Veranstaltung in der Gemeindehalle. Es ist also nicht immer ruhig im Dorf wie so mancher Besucher denken könnte, aber natürlich ist man nahe an der Natur und kann ausgedehnte Spaziergänge in der schönen Umgebung genießen

 Fred Glöckler                      

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